Das Glas erklingt von lieblicher Gewalt,
Es trübt, es klärt sich; also muss es werden!
Ich seh’ in zierlicher Gestalt
Ein artig Männlein sich gebärden.
Was wollen wir, was will die Welt nun mehr?
Denn das Geheimnis liegt am Tage.
Gebt diesem Laute nur Gehör,
Er wird zur Stimme, wird zur Sprache.
Mit diesen Worten beschreibt Goethe im zweiten Teil seines Dramas Faust die Erzeugung des Homunculus, eines sprachbegabten Wesens aus dem Labor. Sicher ist der Traum von einer solchen künstlich erzeugten Intelligenz älter als das zitierte Stück, womöglich so alt wie die Menschheit selbst. Mittlerweile haben die technischen Möglichkeiten des Internets jedoch Dinge möglich gemacht, welche sich noch zu Goethes Zeiten allenfalls im Reich der Fiktion abspielten: Zum Beispiel Maschinen, die sich mit uns unterhalten.
In den sozialen Medien ist dieses Phänomen bereits Realität und unter dem Schlagwort des „Chatbot“ (engl. für Konversations-Roboter) bekannt. So werden Profile bezeichnet, die vordergründig den Anschein eines ganz normalen, menschlichen Nutzers erwecken – im Hintergrund jedoch werden sie von einem Computerprogramm gesteuert, das automatisch Meldungen versendet und mit anderen Nutzern interagiert: als eine Art kommunizierende künstliche Intelligenz.
Ein Bot für alle Fälle
Ganze Netzwerke solcher Chatbots kommen momentan vor allem in der politischen Kommunikation zum Einsatz: In einer aktuellen Studie von Simon Hegelich, Professor für Political Data Science an der Technischen Universität München wird der Anteil künstlicher Twitter-Follower bei den beiden US-Präsidentschaftskandidaten auf etwa 30 Prozent geschätzt. Derzeit folgen demnach etwa 4 Millionen Roboter Donald Trump und 3 Millionen Roboter Hillary Clinton. Sie sind eifrig dabei, den Kampf ums Weiße Haus mit zu diskutieren. Auch im Zuge des Ukraine-Konflikts sind umfassende Chatbot-Netzwerke, vor allem auf Twitter, im Einsatz. Die Roboter verbreiten Sportnachrichten, erzählen Witze – und streuen Propaganda. Durch die Benutzung bestimmter Hashtags üben sie auch Einfluss auf den Trend-Algorithmus der beliebten sozialen Plattform aus.
Ein solches Netzwerk aufzusetzen hat angesichts seiner Möglichkeiten einen vergleichsweise geringen technischen und finanziellen Aufwand. In der Regel werden zunächst manuell oder auch automatisch erstellte Nutzerkonten im Paket erworben; über die bei den meisten Social-Media-Plattformen vorhandene Programmierschnittstelle werden diese mit einem Steuerungsprogramm verbunden und können für ihren Auftrag konfiguriert werden. Das Netzwerk lässt sich dann beliebig auf tausende oder sogar zehntausende Profile skalieren. Insbesondere über die Trend-Manipulation lässt sich mit solchen Chatbot-Schwärmen strategisches Agenda-Setting betreiben, was unter Umständen weitreichende Folgen haben kann.
Facebook, IBM & Co. treiben die Entwicklung voran
Sicherlich spielt sich die Beschaffung und das Betreiben von Chat Bot-Netzwerken oft innerhalb rechtlicher Grauzonen oder sogar jenseits von diesen ab. Doch die Entwicklung der Technologie ist beileibe nicht auf die Tätigkeit von Hinterhoftüftlern oder gar Kriminellen beschränkt. Nahezu alle großen IT-Konzerne investieren in sie. Beispielsweise rüstete IBM seinen Supercomputer Watson erst kürzlich mit Funktionen für Sprachverständnis und -interaktion aus. Das Gerät soll nun in der Lage sein, Nachrichten im SMS-Format richtig einzuordnen und auf Fragen selbstständig zu antworten. Facebook regt Entwickler sogar auf dem unternehmenseigenen Blog an, Bots für seinen Messenger zu erstellen und einzusetzen.
Doch nicht alles läuft rund in der schönen neuen Welt der Sprachroboter: Microsoft etwa erlitt mit der Demo-Version seines Chatbots „Tay“ Schiffbruch. Grund hierfür war, dass sich das Programm zu schnell an die Interaktion mit echten Nutzern anpasste. Unmittelbar nach der Live-Schaltung „fütterte“ eine Gruppe rechtsextremer Twitter-Nutzer den Chatbot mit Hassparolen, welche dieser in ähnlicher Form durchs Netz schleuderte. Nach kurzer Zeit wurde Tay deshalb wieder vom Netz genommen. Dies zeigt, dass auch die künstliche Intelligenz noch viel zu lernen hat, insbesondere wenn es um die richtige Kontextualisierung von Inhalten geht.
Die Automatisierung der Kommunikation
Wie sich die Programme im täglichen Geschäft einer Kommunikationsagentur niederschlagen werden, ist im Moment noch nicht deutlich abzusehen. Die Branche wird jedoch nicht umhin kommen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Angesichts der vielen künstlichen Profile werden PR-Berater und ihre Kunden Social-Media-Analysen wohl mit steigender Vorsicht genießen; denn ob ein Mensch oder ein Roboter Inhalte anklickt und teilt, kann hier nicht mehr zweifelsfrei unterschieden werden. Eine ähnliche Diskussion hat bereits die Online-Werbung erreicht. Die Chatbot-Technologie könnte aber gerade auch Kommunikatoren große Vorteile bieten. Beispielsweise lässt sich mit ihr die Distribution von Inhalten, aber auch einfache Kommunikationsvorgänge wie Einladungen zu Veranstaltungen effizienter gestalten. Voraussetzung für den Einsatz in der (seriösen) Kommunikationsbranche ist natürlich, dass PR-Bots eindeutig als solche zu erkennen sind.
Eines scheint jedoch sicher: Die Sprachroboter sind da und werden so schnell nicht wieder verschwinden.
Von Felix Schönherr, Sugar & Spice Communications
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