Die lawinenartige Entwicklung der Kommunikationstechnologien und insbesondere der seit der Finanzkrise massiv fortschreitende öffentliche Zynismus haben gemeinsam entscheidend dazu beigetragen, dass herkömmliche Kommunikationsmodelle in einer Art seismischer Bewegung auf den Kopf gestellt wurden. Und damit auch die Art und Weise, wie Kommunikatoren denken und arbeiten müssen.
[Tweet “Die Kommunikationspyramide steht Kopf. @comMUNICHation”]
Die klassische Kommunikationspyramide mit den Unternehmen, Institutionen und Regierungen an der Spitze, den Pressemedien in der Mitte und schließlich der Öffentlichkeit, den Konsumenten und Kunden an der Basis hat ausgespielt. Nach diesem Modell haben sich die an der Spitze sehr stark darauf gestützt, dass die Medien in der Mitte ihre Botschaften in die Menge tragen würden. Das hat auch super funktioniert; so haben die PR-Experten ihre Aufmerksamkeit überwiegend auf die Pressemedien gerichtet, um die Aufnahmebereitschaft von Journalisten zu beeinflussen, deren Informationsverwendung und Berichterstattung mit zu gestalten. Der „richtige“ Umgang mit den Pressemedien und Pressevertretern war denn auch kriegsentscheidend. Und gerade wegen dieser Konstellation fiel der Wechsel vieler Journalisten in die Kommunikationspositionen von Unternehmen und Institutionen sehr leicht, war der Bereich Pressearbeit das wirkungsvollste Instrument der Public Relations.
Alles Geschichte! Das war vor der Finanzkrise. Das schlechte, unmoralische Verhalten vieler Finanzunternehmen, -institutionen und vor allem Manager dieser Branche, das nach der globalen Finanzkrise zu Tage kam, veränderte in Verbindung mit der Macht des Smartphones und der sozialen Medien alles. Die klassische Kommunikationspyramide drehte sich schließlich kopfüber.
[Tweet “Die Meinung der Öffentlichkeit wird zur Botschaft an die Unternehmen. @comMUNICHation”]
Heute sind die Öffentlichkeit, die Verbraucher und die Kunden an der Spitze, die Pressemedien nach wie vor in der Mitte und die Unternehmen, Organisationen, Institutionen und die Regierungen unten. Und damit: Was die Öffentlichkeit sagt und macht, was Verbraucher tun und denken, das wird von der Presse, den Medien abgedeckt und wird zur Botschaft an Unternehmen, Organisationen, Institutionen und Politik. Zur Botschaft, von der sie dringend auch Notiz nehmen sollten!
Und noch viel schlimmer: die Öffentlichkeit, die Kunden, die Konsumenten nutzen immer massiver die sozialen Medien – Facebook, Twitter, LinkedIn, Instagram und andere – um mit einander zu kommunizieren. Selbstverständlich umgehen sie dabei die Pressemedien, die Journalisten völlig und ignorieren Unternehmen, Organisationen, Regierungen, Staat und Politik.
Das ist die neue Weltordnung der Kommunikation. Was heißt das wohl für die Rolle der Kommunikatoren? Wo ist heute und morgen der „Point of Influence?“
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Kann man denn so einfach „die Kommmunikatoren“ benennen? Gibt es denn die eine „Gruppe der Kommunikatoren“? Bedeutet Kommunikator sein, einem exklusiven Zirkel anzugehören?
Ich glaube kaum. Viel mehr bin ich der Meinung, dass heute, im Zeitalter der digitalisierten Kommunikation, im Rahmen sozialer Medien, jeder die Rolle des Kommunikators einnimmt. Meinungen werden in einer wahren Flut geäußert, getweeted, geliked, geteilt und kommentiert. Und das von jedem von uns.
Ich würde daher nicht von einem Umkehren der Pyramide sprechen. Vielleicht ist das Bild eines Mobiles passender. Leicht, vielgliedrig und schwebend, dh. auch: es ist beweglich und kann aus dem Gleichgewicht gebracht werden, findet aber immer wieder in seine ausbalancierte Grundposition zurück. In dem Mobile sind die „klassischen“ Bauteile der Pyramide nach wie vor enthalten, aber Dank der neuen medialen Möglichkeiten hängen heute noch viele weitere Elemente daran.
Was ist also die Rolle des Kommunikators und der „Point of Influence“? Ich denke, beeinflussen und Meinungen bilden kann in Zukunft und bereits heute nur, wer die Stärken der jeweiligen Kommunikationskanäle kennt, sich aber auch ihre Risiken bewusst macht. Ein Abheben von der Masse der Kommunikatoren durch strategisches Kommunizieren und gezieltes Einsetzen der (neuen) Medien ist in meinen Augen der „Point of Influence“ der Zukunft. Das WIE wird wichtiger als das WER.
Die Wende nur an der Finanzkise fest zu machen, finde ich ein wenig zu kurz gegriffen. Spätestens mit dem Aufkommen des sogenannten Web 2.0 und den Möglichkeiten, die dieses besitzt, sinkt die Wichtigkeit der etablierten Influencer. Beispiel Reisebranche: musste der Verbraucher früher auf Reisekataloge vertrauen, die von Reiseveranstaltern herausgegeben wurden, oder auf Berichte von Reisejournalisten, sind mittlerweile Online-Reiseportale bei der Auswahl von Destinationen entscheidend. Diese Portale wurden teilweise aber schon lange vor 2008 gegründet. Vielleicht hat die Finanzkrise dazu beigetragen, dass jeder mehr auf das Geld schaut und deswegen verstärkt auf Lösungen im Internet setzt. Aber an dieser ausschließlich “den” Wendepunkt festzumachen, ist ein etwas zu kurz gegriffen. Ich würde ihr allenfalls eine katalytische bzw. kathartische Wirkung zuschreiben.
Was jedoch immer wichtiger wird, ist Reputationesmanagement. Das kann aus zwei Richtungen erfolgen: entweder mittels Einbindung des Verbrauchers in die Unternehmenskommunikation als “Markenbotschafter”. Und zum anderen über etablierte Journalisten, die als Experten fungieren. Damit stehen gleich zwei unabhängige Instanzen zur Verfügung, die zu einer Verstärkung der Glaubwürdigkeit eines Unternehmens genutzt werden sollen.
Dennoch sollten Journalisten nicht auf ihren tradierten Wegen beharren, ihre Informationen zu übermitteln. Auch bei ihnen sollte angekommen sein, dass sie die Arte und Weise zu kommunizieren transformieren sollten. Ein hervorragendes Beispiel dafür ist der Blog “Kroker’s Look @ IT”. Hier hat ein Redakteur der FAZ es geschafft, seine Reputation in das Internet zu übertragen und somit seine Rolle als Influencer gefestigt.