In unserem Podcast „Das Tor zur urbanen Zukunft“ begeben wir uns auf die Suche nach Antworten auf Fragen rund um die Zukunftsfähigkeit des urbanen Raumes. Gemeinsam mit Zukunftsforscher Michael Carl und der Jost Hurler Gruppe fragen wir unsere Gäste, wie wir in Zukunft leben, wohnen und arbeiten wollen.
In Folge 5 stellt der Münchner Künstler Emanuel Mooner unser gängiges Bild vom urbanen Raum infrage – denn er sucht die übersehenen Ecken und überhörten Klänge der Stadt.
Sie haben sich in München einen Namen gemacht, weil sie unter anderem Leerstände in der Stadt soundtechnisch untersuchen. Wie kommt man dazu?
Leerstehende Gebäude haben mich schon in meiner Kindheit interessiert und in meiner Jugend habe ich mir von meinem Taschengeld einen SONY Walkman angespart, mit dem ich alle möglichen Geräusche der Stadt dann auf Kassette aufgezeichnet habe. Seitdem interessieren mich die Quellen von Klängen deutlich mehr, als die Klänge selbst. Ich bin auch als DJ oder Musiker mehr Klangsammler als alles andere.
Alle gängigen Narrative von Stadt, die ich kenne, sagen: Wir haben keinen Raum. Es gibt keine Wohnungen, zu viel Verkehr usw. Wie sehen Sie denn das?
Ich sehe, auch in München, jede Menge Zwischenräume, die für mich einen besonderen Reiz ausmachen. Es gibt Räume, in denen gewohnt wird, gearbeitet wird, es gibt öffentlich zugängliche Räume. Aber es gibt eben auch komplett ungenutzte Räume – unter einer Autobahnbrücke zum Beispiel. Dieser Raum wird nicht genutzt, weil er nicht genutzt werden soll. Und da greife ich als Künstler ein. Ich versuche ja sowieso schon immer, mich in den Zwischenräumen der Gesellschaft einzunisten, weil woanders kein Platz für mich ist. Und so erkunde ich auch die Stadt. Da fallen mir dann Nicht-Orte auf – und weil diese eben nicht nur leer, sondern auch leer von Ideen sind, inspirieren mich Leerstände besonders.
Die Anregungen, die man als Künstler von der Soundqualität in der Stadt bekommt, sind ja vermutlich ganz andere als auf dem Land. Was sind, Ihrer Meinung nach, die Geräusche in der Stadt, die unsere Seele ansprechen?
Das ist eine sehr gute Frage. Ich denke auch auf dem Land gibt es Geräuschkulissen, die die Seele ansprechen. Ich habe bisher versucht, Geräusche zu finden, die sozusagen eine emotionale Hinterlassenschaft von denjenigen sind, die dort gelebt oder gearbeitet haben. Und da sind erstaunliche Ergebnisse zu Tage gefördert worden.
Dafür sind Sie ja auch berüchtigt – Sie sind ja beispielsweise auch derjenige, der es fertig bringt, die Photosynthese eines Kaktus‘ hörbar zu machen. Aber wie können unsere Hörer sich das vorstellen, wie Sie diesen Klangteppich hörbar machen?
Das ist ganz einfach erklärt. Also das Prinzip dieser sprechenden Pflanze beruht auf einem Lügendetektor. Ein Lügendetektor zeichnet feinste elektronische Ströme auf. Bei diesen Strömen sind immer wieder Impulse dabei, die ich mittels eines Wandlers aufnehme. Der Wandler fängt die Klänge der Pflanze ein und übersetzt sie auf eine Notenskala. Er gibt einem Synthesizer Befehle, wie lange er zu spielen hat. Und damit übersetze ich quasi die Sprache der Pflanze, wenn man so will, in eine Sprache, die wir Menschen verstehen – nämlich die der Klänge. So kann ich Photosynthese hörbar machen.
Wir sprechen ja jetzt über Dinge, die es wirklich gibt – wir nehmen sie aber im Endeffekt nicht wahr. Warum brauchen wir diese Hilfestellung für unsere Wahrnehmung?
Vermutlich weil wir es verlernt haben bzw. nicht darauf konditioniert sind. Aber grundsätzlich kann jeder erst einmal beurteilen, ob man sich in einem Raum wohl fühlt oder nicht – und auf dieser Gefühlebene kann man ansetzen.
Bei einem meiner Projekte bin ich z.B. mit Kindern durch leere Räume gegangen und habe sie gefragt, wie sie sich fühlen und welche Vorstellungen sie von den Menschen haben, die dort gelebt oder gearbeitet haben – so habe ich mich an die Suche nach emotionalen Hinterlassenschaften herangetastet.
Gestalten wir doch mal Stadt der Zukunft. Wie sieht denn Ihr Wunschbild von der Stadt der Zukunft aus?
Also erst einmal würde ich städtebaulich anfangen, das finde ich am wichtigsten: Nicht-Orte sollten in die Städteplanung einbezogen werden. Diese Flächen sind ja meistens im staatlichen Besitz. Aber was spricht denn dagegen, hier Kulturraum zu schaffen oder die Flächen an die Menschen zu verschenken und sie selbst gestalten zu lassen? Dann entsteht unter einer Autobahnbrücke vielleicht ein Basketballplatz oder ein Austellungsraum für Künstler.
Da sehe ich städtebaulich den Staat und die Gemeinden in der Pflicht, zu agieren, genauso wie uns Bürgerinnen und Bürger: wir müssen lernen, unsere Augen und Ohren zu öffnen und diese Nicht-Orte zu erkennen und für uns zu beanspruchen. Auch in einer Stadt wie München oder Berlin gibt es genug Raum, wir müssen ihn nur als solchen wahrnehmen und aktivieren.
Wo sehen Sie Nicht-Orte in Ihrer Stadt, die aktiviert werden müssen? Was können Sie zur Aktivierung dieser Orte tun?
0 Comments
Unsere vollständigen Datenschutzhinweise finden Sie hier.