23. June 2020 | cultundcomm | 0 comments

Der deutsche Mittelstand ist nunmal nicht per „Du“

Xing führt das „Du“ ein – und erntet teils kräftigen Gegenwind. Warum auch wir eher kritisch sind?

Seit Mitte Mai duzt das Karriere-Netzwerk Xing seine Mitglieder und begrüßt auch unter den Mitgliedern die Ansprache per „Du“. Der Ansatz dazu, wie ihn die Geschäftsführerin Sabrina Zeplin in ihrem Beitrag zum Thema begründet, klingt auf den ersten Blick gut: Man wolle den Mitgliedern helfen, ihr volles Potenzial auszuschöpfen – dazu brauche es Augenhöhe. „Das „Sie“ steht für eine hierarchische Denk- und Arbeitsweise, mit der wir uns bei XING nicht mehr identifizieren können. In der Zukunft der Arbeit sollte sich unserer Meinung nach niemand mehr aufgrund des Alters oder der Position wichtiger fühlen dürfen als irgendjemand anderes. Das „Du“ schafft Nähe und eine emotionale Verbundenheit, die auch in einem professionellen Umfeld zu einem signifikant besseren Miteinander führt. Schließlich kommt man mit dem „Du“ deutlich leichter zum „Wir“ als mit dem traditionellen „Sie““. Ganz abgesehen davon lasse die Anrede per „Herr“ und „Frau“ das dritte Geschlecht außer Acht, was absolut nicht mehr in unsere Zeit passe.

Ja, aber…

Wir stimmen Frau Zeplin zu, wenn sie sagt, dass in einem Großteil der Unternehmen – auch in Konzernen – das „Sie“ beinahe ausgestorben ist. Auch wir bei ALTHALLERcommunication sind untereinander per „Du“. Und es ist richtig, dass der Umgang per „Du“ für eine moderne, internationale Arbeitswelt stehen kann (in Start-Ups und in den Generationen Y und Z ist das heute Standard).

Die Frage ist aber, ob sich diese Zielgruppen, die digitalen Nomaden, die  Start-Up-Vertreter und Hipster  auf Xing bewegen? Wir sagen Nein.

Wer in der modernen, schnelllebigen, internationalen Arbeitswelt angekommen ist, nutzt längst LinkedIn für den Aufbau und die Pflege von Geschäftskontakten. Xing ist ein deutsches Netzwerk, auf dem wir in allererster Linie den deutschen Mittelstand sehen. Und der deutsche Mittelstand ist nun mal wertkonservativ.

Was heißt das konkret? Im deutschen Mittelstand ist das „Sie“ ein Zeichen von Respekt und Höflichkeit. Die Ansprache per „Du“ wird schnell als Angriff oder Respektlosigkeit missverstanden. Wenn das „Du“ angeboten wird, steht das für ein hohes Maß an Vertrauen und Verbindlichkeit. In den eigenen Gruppen oder innerhalb des bestehenden Netzwerks mag das „Du“ ja in Ordnung sein – zum Kontaktaufbau auf Xing würden wir davon eher Abstand nehmen.

Imagewechsel statt durchsichtigem Versuch, relevant zu bleiben

Im Hinblick auf die Zielgruppe von Xing wirkt die Einführung des „Du“ auf uns eher wie der  verzweifelte Versuch, in der Arbeitswelt von heute relevant zu bleiben. Dazu gehört aber deutlich mehr. Ein Imagewechsel würde dem Unternehmen guttun: die Einführung des „Du“, verpackt in einem Bundle aus Modernisierungsmaßnahmen hin zu mehr Offenheit und Diversität durch Internationalität und Zweisprachigkeit – inklusive neuer Features wie einer WhatsApp-Integration usw. – zum Beispiel.

Letztlich entscheidet jeder Nutzer weiter selbst, wie er mit wem auf dem Netzwerk kommuniziert. Wir persönlich bleiben für neue Kontakte beim „Sie“. Aus Respekt.

Wie sehen Sie das? Werden Sie von Xing gerne geduzt oder hätten Sie lieber die Ansprache per „Sie“ zurück? Finden Sie die Entscheidung von Xing gut und richtig?

Wir freuen uns auf Ihre Meinungen!

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