Wie sich Public und Social Media Relations im Zeitalter von KI und Fake News neu definieren müssen
Das Vertrauen in Informationen bröckelt – und mit ihm die Grundlage glaubwürdiger Kommunikation. Was früher als gesichert galt, ist heute fragil: Fakten werden zu Meinungen, Meinungen zu Wahrheiten, und Künstliche Intelligenz beschleunigt diese Entwicklung in einer Geschwindigkeit, die selbst erfahrene Kommunikationsprofis herausfordert. Public und Social Media Relations stehen damit vor ihrer größten Bewährungsprobe – und zugleich vor der Möglichkeit, ihre Rolle im Reputationsmanagement grundlegend neu zu denken.
Die Digitalisierung hat die Öffentlichkeit demokratisiert, aber auch ihre Deutungshoheit aufgelöst. In sozialen Netzwerken verschmelzen Fakten, Emotionen und Fiktionen zu einem unübersichtlichen Informationsstrom. Der Preis für diese ist hoch: Das Vertrauen der Menschen in Medien, Institutionen und Marken sinkt auf historische Tiefstände. Laut dem Edelman Trust Barometer 2024 geben weltweit nur 50 Prozent der Befragten an, traditionellen Medien zu vertrauen; in Deutschland liegt der Wert sogar darunter. Auch der Reuters Digital News Report 2024 zeigt, dass hierzulande nur 41 Prozent der Menschen den Nachrichten „meistens“ vertrauen – ein Minusrekord im europäischen Vergleich. In dieser Lage geraten Disziplinen, deren Grundlage Transparenz und Integrität sind, unweigerlich in den Brennpunkt einer neuen gesellschaftlichen Verantwortung.
Vom Senden zum Moderieren – PR als Architektin des Vertrauens
Public Relations ist längst keine Einbahnstraße mehr. Sie kann nicht länger auf planbare Botschaften und wohlwollende Medienresonanz setzen. Ihre Rolle hat sich von der Steuerung hin zur Moderation verschoben. Sie muss Orientierung bieten in einer Öffentlichkeit, die den Überblick verloren hat, und Vertrauen herstellen, wo Misstrauen zur Grundstimmung geworden ist.
Das verlangt eine andere Haltung: weniger Imagepflege, mehr Integrität; weniger Versprechen, mehr Belege; weniger Perfektion, mehr Authentizität.
Reputation entsteht heute nicht mehr durch Narrative, sondern durch überprüfbares Verhalten. PR ist kein Schönwetterinstrument, sondern eine dauerhafte Disziplin des Vertrauensaufbaus.
Diese Entwicklung wird auch durch den Deloitte Trust Index 2024 gestützt:
58 Prozent der Befragten gaben an, nur Marken zu kaufen oder zu unterstützen, die sie als „ehrlich und transparent“ wahrnehmen. Ethische Kommunikation ist damit kein weiches Thema mehr – sie ist wirtschaftlich relevant.
Social Media Relations: Vom Lautsprecher zum Resonanzraum
Auch Social Media Relations befinden sich im Umbruch. Was einst als digitaler Lautsprecher und kostengünstiger Reichweitenkanal galt, ist heute das sensibelste Messinstrument für Stimmungen, Risiken und Reputationsverläufe. In sozialen Medien entscheidet sich binnen Stunden, ob ein Unternehmen als glaubwürdig, empathisch oder verschlossen wahrgenommen wird.
Damit wandelt sich Social Media Kommunikation von der schnellen Reaktion zur strategischen Frühwarnfunktion. Monitoring, Datenanalyse und Empathie werden zu Kernkompetenzen. Künstliche Intelligenz unterstützt beim Erkennen von Desinformation, doch sie ersetzt nicht die menschliche Fähigkeit, Emotionen richtig zu deuten. Echte Dialogfähigkeit, glaubwürdige Sprache und konsistente Haltung sind die neuen Währungen digitaler Reputation.
Laut dem Sprout Social Index 2024 bevorzugen 81 Prozent der Nutzer Marken, die in sozialen Medien „authentisch und menschlich“ auftreten. Das ist eine deutliche Verschiebung: Es geht längst nicht mehr um Reichweite oder Likes, sondern um Resonanz, Haltung und Nähe. Gerade im Echtzeitraum der sozialen Plattformen entsteht Glaubwürdigkeit nicht aus Geschwindigkeit, sondern aus Haltung – und aus der Bereitschaft zuzuhören, bevor man spricht.
KI als Chance und Risiko – Kommunikation zwischen Beschleunigung und Entfremdung
Künstliche Intelligenz ist zugleich Segen und Risiko. Sie vereinfacht die Beobachtung von Themen, beschleunigt Text- und Content-Produktion und schafft analytische Tiefe in Echtzeit. Doch sie ist auch Treiber einer neuen Unsicherheit: Mit jedem Deepfake, jedem synthetischen Text, jeder automatisierten Nachricht verschwimmen die Grenzen zwischen Echtheit und Inszenierung.
Laut einer Untersuchung des Pew Research Center (2024) geben fast 80 Prozent der Befragten an, dass sie KI-generierte Inhalte kaum noch von echten unterscheiden können. Und der Eurobarometer-Bericht der EU-Kommission (2023) zeigt: 83 Prozent der Europäer sehen Desinformation als „ernsthafte Bedrohung für die Demokratie“. Diese Wahrnehmung verändert den Kontext, in dem Kommunikation überhaupt stattfindet.
Kommunikationsprofis sind gut beraten, KI deshalb nicht nur als Werkzeug, sondern als integralen Teil ihres Risikomanagements zu betrachten. Wer versteht, wie KI die Wahrnehmung beeinflusst, kann sie nutzen, um Transparenz zu stärken. Wer sie ignoriert, riskiert, die Deutung über das eigene Handeln zu verlieren.
In dieser Realität verändert sich das Fundament von Reputation. Eine Marke kann nicht mehr allein auf Sympathie oder Bekanntheit bauen – sie muss sich fortlaufend beweisen. „Proof over Promise“ lautet die neue Regel: Handeln zählt mehr als Behauptung. Transparenz, nachvollziehbare Daten, messbarer Impact und eine klare ethische Haltung sind die Leitwährungen glaubwürdiger Kommunikation. Vertrauen wird nicht mehr geschenkt, es muss täglich verdient werden – durch Belege, durch Offenheit und durch konsequente Verantwortung.
Reputation als Prozess – Kommunikation braucht Haltung, nicht Kontrolle
Diese Entwicklung markiert keinen Kontrollverlust, sondern eine Reifung. Kommunikation muss mehr denn je Verantwortung übernehmen – für Wahrheit, für Transparenz, für den gesellschaftlichen Diskurs. Dort, wo PR früher kontrollieren wollte, muss sie heute moderieren. Dort, wo Social Media früher beschleunigte, muss sie heute entschleunigen. Und dort, wo Marken einst Geschichten erzählten, müssen sie heute beweisen, dass sie ihre eigenen Werte leben.
Reputation ist kein Zustand mehr, sondern ein Prozess. In einer Welt, in der Künstliche Intelligenz Inhalte erzeugt und Vertrauen verdünnt, gewinnen jene, die Haltung zeigen und nachvollziehbar handeln. Für die Kommunikationspraxis bedeutet das: nicht mehr auf Deutungshoheit setzen, sondern Verständlichkeit schaffen; nicht mehr Aufmerksamkeit jagen, sondern Glaubwürdigkeit sichern.
Public und Social Media Relations stehen also weniger am Ende ihrer Relevanz, sondern am Anfang ihrer wichtigsten Phase – als strategische Säulen einer Kommunikation, die nicht überzeugen, sondern wahrgenommen werden will.
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