26. Januar 2017 | cultundcomm | 1 Kommentar

Twitterpräsident Trump: Folgst du noch oder ver-folgst du schon?

Seit seiner Vereidigung als US-Präsident bedient Donald J. Trump zwei Twitterkanäle: Seinen „eigenen“, @realDonaldTrump und den offiziellen Kanal des @POTUS (President of the United States). Der private Account schlägt zwar mit mittlerweile 22,1 Millionen Followern, Tendenz steigend, den offiziellen Kanal des ehemaligen Präsidenten Barack Obama, der 14,6 Millionen Anhänger auf Twitter hat. Obama wiederum hat, obwohl er seit der Vereidigung Trumps nicht mehr aktiv ist, 300.000 Anhänger mehr als der offizielle Trump-Kanal.

Quantität vs. Qualität

Follower-Zahlen geben vor, etwas über Relevanz auszusagen. Das scheint auch Trump besonders wichtig zu sein, wie das Beispiel seiner Vereidigung zeigt. Er rühmte sich damit, das größere Publikum im Vergleich zu Obamas Vereidigung im Jahr 2009 gehabt zu haben, auch wenn Gegenüberstellungen von Luftaufnahmen etwas anderes nahelegen. Einem Spiegel-Artikel zufolge ist dieses „Truth-Bending“ Folge starker narzisstischer Züge, die Trump aufweist. Seine übertriebene Darstellung, dass er die Menschenmenge seiner Vereidigungszeremonie auf mindestens eine Million schätze, erklärt der Spiegel mit einem Zitat aus dem Deutschen Ärzteblatt: „Die Betroffenen haben ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit, sie verlangen nach übermäßiger Bewunderung, sie idealisieren sich selbst und sind stark von Fantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Glanz oder Schönheit eingenommen.“

Was steckt aber hinter Trumps 22,1 Millionen? Es ist bekannt, dass nicht nur „echte“ Menschen hinter dieser Zahl stehen, sondern auch sogenannte Bots und Spam-Accounts. Hinter den Bots (die abgekürzte Version für „Robots“) verstecken sich Programme, die beispielsweise auf Twitter darauf programmiert sind, bestimmten Accounts zu folgen und deren Tweets wiederzugeben. Dies machen sich Politiker wie Trump zunutze und verbreiten damit gezielt Nachrichten an andere Twitter-User. Spam-Accounts folgen vielen Accounts, weisen aber selbst keine weitere Aktivität auf Twitter auf. Welche solcher Accounts „echt“ und welche programmiert sind, ist nicht eindeutig festzustellen. Jedoch ist die Zahl der in Amerika lebenden Trump-Follower, die somit als „brauchbare“ Follower gewertet werden können, überraschend klein. Laut Forbes Magazin, das sich auf eine Studie der Plattform Affinio bezieht, sind dies nur ca. drei Millionen Twitter-Follower. Von diesen posten nur 13% öfter als 15-mal im Monat einen Tweet und sind somit als aktive Follower einzustufen. 11% dieser drei Millionen sind aufgrund der verwendeten Hashtags als politisch einzuordnen. Das Wichtigste jedoch: Sie scheinen keine Trump-Anhänger zu sein, da die drei meistgefolgten Accounts von diesen wiederum Barack Obama, Hillary Clinton und Bernie Sanders sind. Diese User „folgen“ also Trump nicht im engeren Sinne, sondern „ver-folgen“ schlichtweg seine Aktivitäten.

Warum Trump folgen?

Viele Twitter-User scheuen aus einem einfachen Grund davor, Trump zu folgen: Sie möchten schlichtweg nicht als Sympathisanten Trumps verstanden werden. Doch damit verpassen sie die Chance, ungefilterten Zugang zum Präsidenten der mächtigsten Nation der Welt zu haben. Egal ob „Gegner“ oder „Anhänger“ – hier bietet sich die Möglichkeit, sich aus erster Hand über die Person zu informieren, mit der wir es für die nächsten vier Jahre zu tun haben, anstatt auf bereits vorgefertigte Meinungen zu vertrauen. Trumps Twitteraccount ist dank der Schnelligkeit des Mediums und der regen Aktivität des Präsidenten eine Chance für jeden, sich darüber zu informieren, was Trump durch den Kopf geht. Wer um seine Onlinereputation fürchtet, kann durch Retweets Position beziehen.

Und wie halten Sie es mit dem Folgen? Folgen Sie nur Menschen, mit deren Positionen sie sympathisieren, oder auch Vertretern anderer Meinungen?

 

Von Dr. Hans-Wilhelm Eckert

1 Kommentar

  1. BS

    „My father taught me many things here — he taught me in this room. He taught me — keep your friends close but your enemies closer.“ – Michael Corleone, Godfather Part 2. Ohne die überspitzte Dichotomie von Freund und Feind, lässt sich dieser Ratschlag auf den gegenwärtigen Sachverhalt anwenden. Den eigenen Horizont mit Hilfe konträrer Meinungen zu bereichern, ist sinnvoll und anzuraten. Soziale Medien bieten die Möglichkeit, ungefiltert und direkt Nachrichten von der gewünschten Person, Institution, Unternehmens etc. zu empfangen. In der Regel folgen Leute in sozialen Netzwerken Personen, die ihre eigenen Positionen vertreten. Will man einen Sachverhalt jedoch objektiv von allen Seiten beziehungsweise Standpunkten betrachten, kann es nützlich sein, die Primärquellen zu betrachten, eine Möglichkeit, die mit dem Aufkommen sozialer Medien stark vereinfacht wurde. Statt sich auf Analysen oder Einschätzungen Dritter zu verlassen, besteht nun die Option, ohne viel Aufwand eine eigene Einschätzung der Lage vorzunehmen. Gleicht man seine gewonnenen Erkenntnisse mit der Meinung Dritter, wie beispielsweise Journalisten ab, kann man aufschlussreichere Analysen – einerseits des Sachverhalts und andererseits der Standpunkte aller Beteiligten – durchführen, als mit der bloßen Rezeption von Meinungen.

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