24. Februar 2017 | cultundcomm | 1 Kommentar

Vom Marketing Tool zur Terror-Abwehr – die beeindruckende Karriere des Social Media Profiling

In seinen Anfängen wurde Social Media Profiling von Marketern genutzt, um herauszufinden wo sich ihre Zielgruppe auf der Customer Journey befindet, wo sie sich informiert, welche Communities sie nutzt etc., um sie damit noch genauer anzusprechen. Unter dem Begriff Predictive Profiling haben Daten-Profis dann Ansätze entwickelt, um künftige Verhaltensweisen oder Entwicklungen vorherzusagen. Dazu zählen etwa Wahrscheinlichkeiten von Zahlungsausfällen, Krankheiten oder Unfällen – Dinge die Banken, Krankenkassen und Versicherer sehr interessieren und von denen sie den Zugang zu ihren Leistungen abhängig machen können. In den vergangenen Wahlkämpfen hat das Instrument angeblich schon Mehrheiten mobilisiert.

Social Media Profiling – der nächste Karriereschritt

Und nun steht dem Instrument ein weiterer Karriereschritt bevor: Es soll den USA helfen, Terroristen bei der Einreise zu identifizieren. Dazu sollen bei Grenzkontrollen vermehrt Smartphones konfisziert und durchgeschaut werden. Die Beamten verschaffen sich Zugriff auf Adressbücher und Facebook- oder Twitter-Kanäle. Sie überprüfen, wie sich Personen in sozialen Netzwerken zu bestimmten Themen äußern und machen davon die Einreise abhängig. Ob das so wirksam ist, sei dahingestellt. Wer sich wirklich mit Terror-Gedanken trägt, wird das nicht unbedingt auf seinem Smartphone dokumentieren.

Aber die heftigen Reaktionen, die dieses Vorgehen nach sich zieht, machen deutlich, dass hier noch etwas anderes im Spiel ist. So unmittelbar erleben wir ja das Eindringen in unsere Privatsphäre sonst nicht. Das Smartphone ist für viele von uns längst zur Erweiterung unseres Selbst geworden oder wie es die Süddeutsche Zeitung nennt: eine Psychoprothese. Und deshalb sind Eingriffe in unser Smartphone so persönlich und schmerzhaft. Unmittelbar wird uns vor Augen geführt, wie ein Fremder tief ins eigene Leben hineinblickt. Die Geste der Unterwerfung ist hier direkt spürbar.

Social Media Profiling – Chance zur Sensibilisierung?

Solange es nur Algorithmen sind, bleibt das ganze Sammeln, Fusionieren und Analysieren der Daten abstrakt. Aber sobald ein Fremder direkt in den Spiegel unseres Privatlebens blickt, ist das etwas Anderes. Vielleicht ist es hilfreich, sich diese Situation öfter vorzustellen, um beim Umgang mit den eigenen Daten in digitalen Kanälen zu entscheiden, welche Spuren ich im Netz hinterlassen möchte.

Von Dr. Hans-Wilhelm Eckert

1 Kommentar

  1. BS

    In der Tat ist die hier aufgezeigte Karriere beeindruckend, mehr noch erschreckend. Was anfänglich als Instrument des Marketing eingesetzt wurde und sich die Folge dort für die Gesellschaft noch in Grenzen hielt, ist ein Einsatz durch einzelne Politiker oder eine Regierung – ob der möglichen Folgen für eine Gesellschaft und den Einzelnen – als zumindest bedenklich einzustufen. Obwohl die tatsächlichen Auswirkungen des Social Media Profiling im Wahlkampf von Donald Trump schon in Frage gestellt wurden, ist diese Entwicklung mit Sorge zu betrachten. Je mehr die Menschen immer mehr ihr Leben in sozialen Medien leben und je weiter die Technik voranschreitet, die dieses virtuelle Leben auslesen, analysieren und kategoriesieren kann, desto gefährlicher wird dieses Instrument in den falschen (richtigen) Händen. Die aktuelle neueste Entwicklung ruft einen bekannten Satz Benjamin Franklins in Erinnerung: „Wer Freiheit für Sicherheit aufgibt, wird beides verlieren.“. Hoffentlich wird dieser Eingriff in die Freiheit des Einzelnen nochmals überdacht.

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