Wie sich Geldwäschern mit Digitalisierung zu Leibe rücken lässt

Wirecard-Skandal

Wie sich Geldwäschern mit Digitalisierung zu Leibe rücken lässt

Banken, die in der Geldwäsche-Prävention nicht ähnlich international vernetzt antreten wie die Täter, sind auch künftig leicht auszumanövrieren.

von Tobias Schweiger, Co-Gründer und CEO von HAWK:AI – ein Münchner Softwareunternehmen, das Finanzdienstleister weltweit darin unterstützt, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu verhindern.

München, der 15. Juli 2020 – In ihrem letzten Bericht hat die internationale Financial Action Task Force (FATF) Deutschland „ausreichende Fortschritte“ bei der Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (AML/CFT) attestiert. Ausreichend vielleicht, aber wohl nicht gut genug, denn nach dem Wirecard-Skandal dürften die Geldwäsche-Experten von der FATF in der anstehenden Prüfung neue Fragen haben, hagelt es derzeit  – neben den Betrugsvorwürfen, unter anderem wegen der fehlenden 1,9 Milliarden Euro, und dem Verdacht auf Marktmanipulation –  doch Anzeigen wegen „Money Laundering“ gegen das Unternehmen aus Aschheim. Bei dem Tatvorwurf geht es unter anderem um die Finanztransaktionen von betrügerischen Trading-Seiten und dubiosen Online-Glücksspielanbietern.

Als Finanzinstitut war mindestens die Wirecard Bank AG nach dem Geldwäschegesetz und dem Gesetz über das Kreditwesen zur Geldwäsche-Prävention verpflichtet. Das bedeutet: Jede Aufnahme eines Kunden muss einer Prüfung unterzogen werden, ebenso deren finanzielle Transaktionen. Nun steht der Verdacht im Raum, dass Wirecard für Kunden Zahlungsverkehr abgewickelt hat, die gegebenenfalls kriminelle Geschäfte machen. Wirecard könnte durch die Bedienung dieses Kundenkreises deshalb womöglich gegen die Gesetze zur Geldwäscheprävention verstoßen haben.

Gleichzeitig war laut „Spiegel“ bis zum Tag der Insolvenz offenbar ungeklärt, ob, wie und von wem geprüft wird, ob sich Wirecard (als Konzern) an die Regeln zur Geldwäscheprävention hält. „Die Frage der Verpflichteteneigenschaft der Wirecard AG im Sinne des Geldwäschegesetzes wurde ab dem 25.02.2020 bis zum 25.06.2020, dem Tag der Anmeldung der Insolvenz, zwischen der Regierung von Niederbayern und der Bafin diskutiert”, heißt es in einer Antwort des bayerischen Innenministeriums auf eine Anfrage im Landtag.

Auch wenn Betrug im Fokus der kriminellen Energie des Wirecard-Managements stand und es nicht primär um Geldwäsche ging, wird sich der Gesetzgeber mit der Frage beschäftigen müssen, wie die Finanzdienstleistungsaufsicht gerade in vielschichtigen, internationalen Dienstleistungsangeboten und Konzernstrukturen wie bei Wirecard den Durchblick behält. Schließlich belastet der Wirecard-Skandal auch das Image des deutschen Finanzplatzes. Bundesfinanzminister Scholz hat bereits Konsequenzen aus dem Debakel angekündigt: Die Finanzaufsicht müsse umfassend reformiert werden und zusätzliche Kompetenzen erhalten.

Neben der Adressierung von erkannten Defiziten in Deutschland sowie dem jetzt zutage tretenden Klärungsbedarf hinsichtlich der Zuständigkeiten, werden aber vor allem Digitalisierungsmaßnahmen einen Unterschied machen: in der intelligenten, institutsübergreifenden Überwachung von Transaktionen, in der Zusammenarbeit zwischen Finanzinstituten und Behörden, und in der besseren, hochfrequenten Vernetzung von Exekutivbehörden weltweit.

Das Problem ist global – und selten das eines Landes oder das einer Bank alleine

Wirecard demonstriert eindrücklich, dass ein Land alleine nicht viel ausrichten kann. Mit Niederlassungen (und damit Konten bei anderen Banken) in Großbritannien, in den USA, Singapur und Dubai, in der Türkei, Neuseeland, Australien und Südafrika und Geschäften in Malaysia sowie auf den Philippinen war das Unternehmen global aufgestellt. Eindrucksvoll international war auch der Geldwäsche-Fall bei der Danske Bank: Die Filiale in Estland führte insgesamt 15.000 Auslandskunden aus 90 Ländern, darunter viele britische Limited Liability Partnerships und Strohfirmen aus Offshore-Regionen. Die Liste der involvierten Banken liest sich fast wie ein Who is Who der Branche: Neben mehreren nordeuropäischen Banken wie der Svedbank, der Nordea oder der SEB, sollen auch die Deutsche Bank, JP Morgan und Bank of America in den Skandal verwickelt sein.

Regulierungs- und Exekutivbehörden, die nicht ähnlich international vernetzt antreten wie die Täter, werden auch künftig leicht auszumanövrieren sein. An der Vernetzung allerdings hapert es. So räumt die EU in ihrem Vorschlag zu Intensivierung des Kampfes gegen die Geldwäscher vom Mai 2020 ein: „Auch wenn die Regeln der EU weitreichend sind und oft auch über die international üblichen Standards hinausgehen, sind sie nicht kohärent in der gesamten EU verankert. Das führt zu Fragmentierung zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten.“ Außerhalb Europas ist die Zusammenarbeit der Geldwäschejäger noch wackeliger.

Ohne Digitalisierung wird es nicht gehen

Ansätze zu internationaler Kooperation bestehen bereits: Die Egmont Group beispielsweise ist ein Zusammenschluss von 164 nationalen sogenannten Financial Intelligence Units oder FIUs, die sich mit Verdachtsmeldungen zu Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung beschäftigen – die deutschen FIU ist beim Zoll angesiedelt.

Das Mittel zur Steigerung der Effektivität der internationalen Kooperation ist natürlich Technologie: Nur die Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Machine-Learning können helfen, Zahlungsströme so transparent zu machen, dass es auch in Deutschland schneller auffällt, wenn in Asien dubiose Transaktionen stattfinden, die einen Dax-Konzern betreffen.

Marcus Pleyer arbeitet daran. Seit dem 1. Juli ist er der Deutsche Präsident der Financial Action Task Force. Als ersten Punkt in seinem Thesenpapier zu den Prioritäten seiner zweijährigen Amtszeit listet Pleyer die „Digital Transformation of AML/CFT“ auf – die Notwendigkeit zur Digitalisierung auf Seiten der Geldwäschejäger ist den Behörden durchaus bewusst.

Modellhaft könnte hier der Ansatz in Deutschland wirken: Gemeinsam mit dem FIU beim Zoll, dem Bundeskriminalamt und 14 Banken wurde im vergangenen September eine Anti Financial Crime Alliance oder AFCA ins Leben gerufen. Die öffentlich-private Partnerschaft will unter Federführung der FIU den Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verstärken und koordinieren.

Ähnliches will eine Initiative in den Niederlanden erreichen, wo mit ABN AMRO, ING, Rabobank, Triodos Bank und der Volksbank jüngst fünf Banken reagiert und die Initiative „Transaction Monitoring Netherlands“ (TMNL) etabliert haben, um sich gegenseitig im gemeinsamen Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu unterstützen.

Die Bafin schreibt: „Die Erfolgsvoraussetzung ist ein dauerhafter strategischer Informationsaustausch.“ Technologie ist dabei sicherlich ein zentraler Teil der Lösung. Konkret: Gebraucht wird eine gemeinsam aufgesetzte, sicher verschlüsselte digitale Plattform, die Finanzdienstleister vernetzt und dubiose Zahlungsströme schneller ausfindig macht. Es kann auch nicht bei 14 deutschen Banken oder fünf niederländischen bleiben, idealerweise müssten diese Plattformen für Geldhäuser international zugänglich werden.

Technologie kann helfen, aber nicht alles richten

Bei Wirecard haben Vorstände kriminelle Energie entwickelt. Das Management wurde über 20 Jahre hinweg nicht merkbar ausgetauscht (wie sonst in DAX Unternehmen üblich) und daher gab es nie wirklich einen Nachfolger mit einem Mandat zu überprüfen, was der Vorgänger getrieben hat. Zudem waren jahrelang immer dieselben Prüfer am Werk. Und die Bafin hat Wirecard als Technologiekonzern betrachtet und nicht als Finanzdienstleister. In so einer komplexen Gemengelage kann auch Technologie nur bedingt helfen.

Dennoch, Software zur Verhinderung von Geldwäsche, wie auch die von HAWK:AI, spielt eine zentrale Rolle in der Erkennung von Verdachtsfällen, typischerweise als Teil der notwendigen Kontrollmechanismen in einem Institut. Dabei helfen diese Lösungen Banken in der Überwachung von Kunden und sind auf die Erkennung von Risiken und Anomalien fokussiert.

Die dringend notwendige Innovation wird „Digitalisierung und  Informationsaustausch“ als Überschriften tragen: Wo heute jede Firma für sich alleine versucht, Verdachtsfälle mithilfe von sehr einfachen, wenig intelligenten Systemen zu erkennen und diese dann an die zuständige Behörde zu melden, da werden morgen voll digitale, selbstlernende Systeme zum Einsatz kommen müssen, um Analyse und Informationsfluss nicht nur zwischen den Instituten, sondern auch zwischen den Meldebehörden sicherzustellen. Zusätzlich ist es sogar denkbar, konzernintern Zahlungsflüsse (z.B. in Verbindung mit Firmenbeteiligungen, wie bei Wirecard) zu überwachen – hier allerdings vorausgesetzt: Sofern die Konzernleitung das so möchte.

So arbeitet HAWK:AI als Softwareplattform zur Aufdeckung und Bearbeitung von Verdachtsfällen seit 2017 daran, Finanztransaktionen übergreifend zu überwachen – unter Wahrung aller notwendigen Datenschutz- und Auslagerungsvorgaben. Wirecard ist nur ein weiterer Anlass für uns und unsere Partner, die Produktentwicklung in dem Bereich zu forcieren. Das Ziel der effektiven (und effizienten!) Kriminalitätsbekämpfung steht für uns dabei im Vordergrund.

Mit diesen Überlegungen sind wir übrigens nicht alleine, denn neben FATF, Bafin und AFCA suchen auch die Verantwortlichen in den Compliance-Abteilungen der Banken nach Lösungen, die dafür sorgen, dass bei Transaktionen mit dubiosen Partnern die Warnlampen schneller anspringen – und das vor allem überall.

 

Über HAWK:AI

Als führende Softwarefirma unterstützt HAWK:AI ihre Kunden weltweit mit hocheffizienten und innovativen, zukunftsweisenden Lösungen mit dem Ziel der verbesserten Erkennung und Bearbeitung von Verdachtsfällen der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung (AML/CFT). Kreditinstitute und andere Finanzinstitute nutzen HAWK:AI zur Optimierung von regulatorisch vorgeschriebenen AML/CFT Prozessen. HAWK:AI Produktmodule umfassen die Optimierung von Regeln, Erkennung u. Bearbeitung von Verdachtsfällen, Filterung von Fehlalarmen sowie die Transparenzmachung von Kriminalitätsmustern und stellen dabei ein Komplettangebot für den Bereich AML-Compliance dar. HAWK:AI steht dabei für deutlich erhöhte Prozesseffizienz, aber auch für reduziertes Compliance-Risiko im Vergleich zu herkömmlich eingesetzten Lösungen. Dies wird möglich durch hochmoderne Softwarearchitektur und den innovativen Einsatz von Künstlicher Intelligenz, jederzeit nachvollziehbar. HAWK:AI wurde 2018 von erfahrenen Spezialisten im Bereich Finanztechnologie gegründet und hat seinen Sitz in München. Mehr Informationen unter www.hawk.ai

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“Wirecard demonstriert eindrücklich, dass ein Land alleine nicht viel ausrichten kann”

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