7. März 2019 | cultundcomm, Others | 5 Kommentare

Gebimmel und Gestank – Was Kuhglocken mit lokalem und globalem Marketing zu tun haben

Seit Jahren beschäftigt ein skurriler Nachbarschaftsstreit über Kuhglocken die Justiz in Bayern. Ja, Sie haben richtig gelesen: Ein Ehepaar klagte vor dem Landgericht München II, weil es den Lärm auf dem Nachbargrundstück am Ortsrand für unerträglich hält und sich zudem von Gerüchen und Fliegen belästigt fühlt. Das eigentlich Interessante an diesem Prozess ist allerdings nicht die Streitsache selbst, sondern die Emotionalität, mit der dieser ausgefochten und in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Es geht vor allem um Identität, Stereotypen und tatsächliche oder vermeintliche Gegensätze. Aspekte, die auch beim Thema lokales und globales Marketing einen hohen Stellenwert haben.

Stadt vs. Land, Ost vs. West, Nord vs. Süd

Unser tägliches Leben ist voll von Gegensätzen und die Instrumentalisierung bestimmter Stereotypen begegnet uns auf Schritt und Tritt. Stadt- und Landbevölkerung, Bayern und Preußen, Ossis und Wessis, Deutsche und Österreicher. Auch im Falle der Kuhglocken-Geschichte wird ein solches Bild konstruiert: Einerseits die eingesessene regional berufstätige und im Ort verwurzelte Dorfbevölkerung. Auf der anderen Seite das klagende Ehepaar, mit dem Image der wohlhabenden, zugezogenen und für explodierende Grundstückspreise verantwortlichen Fremden. So basiert die emotionale Aufladung der Thematik im Wesentlichen auf der tatsächlichen oder zugeschriebenen geografischen und kulturellen Identität der Beteiligten.

Identität und Zielgruppe

  • Der Identitätsbegriff ist ein zentraler Baustein zielgruppenspezifischer Kommunikation. Menschen definieren sich über ihre Zugehörigkeit zu einer oder mehreren bestimmten Gruppen, sei es in politischer, soziokultureller, sprachlicher oder geografischer Hinsicht. Im Hinblick auf Marketing und Unternehmenskommunikation resultiert daraus die Notwendigkeit einer ausgeprägten Zielgruppenanalyse. Alleine ein Vergleich im deutschsprachigen Raum, also zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz, zeigt schnell die Unterschiede der jeweiligen Kulturen und deren Eigenheiten auf. Dass sich daraus alleine schon sprachlich zahlreiche Fallstricke ergeben können, liegt auf der Hand.

Ein kommunikatives Minenfeld voller Fettnäpfchen

Schon die Namensgebung eines Produkts, einer Dienstleistung oder einer Institution birgt Hürden in sich, über die selbst erfahrene Kommunikations- und Marketingprofis bisweilen stolpern. Wir haben an dieser Stelle die unterhaltsamsten Pannen bei der Namensgebung zusammengefasst:

  • Der russische Gazprom-Konzern gründete mit seinen Partnern aus Nigeria ein Joint Venture und nannte es „Nigaz“, ein Akronym, das nach beiden Beteiligten klingen sollte, Nigeria und Gazprom.
  • Der zweisitzige Sportwagen von Audi mit imageförderndem Elektroantrieb erhielt den Namen „etron“, womit im Französischen ein Kothaufen bezeichnet wird.
  • Die Ford Motor Company wunderte sich in den 70er Jahren über die schlechten Verkaufszahlen seines „Pinto“ genannten Modells in Brasilien, allerdings ist „Pinto“ dort eine Bezeichnung für das männliche Geschlechtsteil.

Studieren geht über Probieren: Tipps für erfolgreiches interkulturelles Marketing

Um den genannten Gefahren aus dem Weg zu gehen, sind grundsätzlich Antworten auf diese drei Fragen zu finden:

  • Wie definiert sich meine Zielgruppe emotional?
    • Die Wirkung von Farben, Gesten und Symbolen ist häufig kulturspezifisch kodiert und transportiert eine bestimmte Botschaft. Auch die Intensität von Schärfe spielt eine Rolle.
  • Welches sind die im Zielmarkt am besten funktionierenden Rezeptionswege?
    • Facebook und Twitter sind international bekannte Plattformen. Allerdings bloggen Japaner gerne, Lateinamerikaner laden häufig Fotos hoch und Westeruopäer aktualisieren haupsächlich ihr Profil.
  • Welche kulturellen Gegebenheiten gilt es zu berücksichtigen?
    • Offen zur Schau gestellter Alkoholkonsum oder laszive Posen überschreiten die Toleranz vieler Kulturen.

Think local, act global, have a network

Internationale Netzwerke kleinerer, auf regionale Kommunikation spezialisierter Agenturen bieten ihren Kunden hier einen entscheidenden Vorteil. Trotz internationaler Reichweite zeichnen sie sich durch einen scharfen nationalen Blickwinkel aus. Die einzelnen Agenturen greifen bei ihrer Arbeit auf gewachsene, persönliche und vertrauensvolle Beziehungen zu regionalen Multiplikatoren zurück. Ebenso ist gesichert, dass länderspezifische Rahmenbedingungen beachtet und sinnvoll genutzt werden. Die Kombination aus nationalem Know-How und internationaler Vernetzung ermöglicht einen effizienten Einsatz des Kundenbudgets. Damit wird Unternehmenskommunikation auch international zum Erfolg.

Wie nehmen Sie internationales Marketing war? Was sind für Sie die entscheidenden Erfolgsfaktoren? Diskutieren Sie mit!

5 Kommentare

  1. Medina Avdagic

    Danke für diesen tollen Artikel! Ich musste zwischenzeitlich wegen der Vergleiche und der Faux-Pas von Experten schmunzeln.

    In der Uni wird einem bereits während der Marketing-Einführungskurse stets der Leitspruch “act global, think local” im Zuge der sog. “Glocalization” ans Herz gelegt. Der Zusatz “Have a network” ist an dieser Stelle klug gewählt, wie ich finde.

    Es ist unheimlich wichtig, ein internationales Netzwerk zu haben. Die wichtige Bedeutung eines solchen Netzwerks ist mir zunächst in der Theorie während Kursen zu interkultureller Kommunikation bewusst geworden. Es gibt so vieles zu beachten, was man zuvor als vermeintlich unwichtig angesehen hatte. Das fängt schon beim Verständnis von Zeitstrukturen an. Es heißt in Deutschland nicht umsonst “Zeit ist Geld”. In vielen anderen Ländern und Kulturen gibt es solche Redewendungen gar nicht. Genauso wie sich auch die Kommunikationsstile von Kultur zu Kultur unterscheiden, wir in Deutschland sind sehr direkt unterwegs, während es in anderen Kulturen ein No-Go ist, überhaupt das Wort “Nein” in den Mund zu nehmen. In Indonesien gibt es beispielsweise nicht einmal ein klaren Pendant zu “Ja” und “Nein”. Es gehört einfach sehr viel Feingefühl und kulturelles Wissen zu internationalem Marketing dazu, welches man sich als Privatperson gar nicht auf Anhieb aneignen kann. Da gibt es nur die Option so viel zu reisen wie es nur möglich ist und/oder ein Netzwerk zu haben, das tatkräftig Hilfe und Beratung leistet.

    Im großen und Ganzen finde ich das Thema super spannend, weil es besonders auch soziale Kompetenzen stärken kann.

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  2. Katharina Barth

    Emotionalität spielt im Bereich des Marketings eine entscheidende Rolle und ist ausschlaggebend für den Erfolg einer Kampagne oder eines Projektes. In den sozialen Netzwerken kann sich diese Emotionalität auch anders manifestieren. Unüberlegte Online-Kommunikation kann dazu führen, dass sich Bevölkerungsgruppen ausgeschlossen, diskriminiert oder missverstanden fühlen. Kulturelle Heterogenität besteht nicht nur zwischen einzelnen Ländern, sondern auch zwischen verschiedenen Gruppen auf nationaler Ebene. Etwas vermeintlich Banales wie “Gebimmel und Gestank” wird so zu einem sensiblen Thema.
    Der im Beitrag genannte Schlüsselbegriff zu internationalem Marketing ist “interkulturell”. In der Frage nach Standardisierung versus Differenzierung müssen Maßnahmen ergriffen werden um eine wesentlich stärkere Anpassung an lokale Besonderheiten voranzutreiben. Hierbei handelt es sich um einen Balanceakt, da ein einheitliches Image für die Markenbildung und/oder die Etablierung eines Unternehmens auf dem Markt ebenfalls ausschlagend ist. Flexibilität ist gefragt. Ein Netzwerk aus regional und national gefestigten Agenturen kann diese Flexibilität auch auf internationaler Ebene bieten. Es entsteht ein für das internationale Marketing hilfreiches und effektives Konstrukt aus spezifischem Know-How und Erfahrungswerten.

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  3. Timo Hantel

    @Katharina: Ganz genau, „interkulturell“ ist das Zauberwort, das uns hier am meisten weiterbringt, da es eben nicht mehr nur um das Marketing innerhalb nationaler Grenzen geht, sondern vor dem Hintergrund der Globalisierung und der Digitalisierung potentiell jeder Zugriff auf jede Werbung und jede Marketing-Kampagne hat, die ein Unternehmen jemals in irgendeinem beliebigen Land veröffentlich hat.

    Noch komplizierter wird es, da gleichzeitig eine scheinbar entgegengesetzte Tendenz zu beobachten ist: Eben gerade dadurch, dass durch die Globalisierung für viele Menschen die Bedeutung des Nationalen abnimmt, rückt zum Teil die regionale Kultur mehr in den Vordergrund. Das muss nicht unbedingt zu Abspaltungstendenzen wie in Katalonien führen, sondern äußert sich in der Regel in einer Befindlichkeit, die wir alle mehr oder weniger aus unserem Alltag kennen. So haben beispielsweise viele Menschen in Schleswig-Holstein eine größere kulturelle Nähe zu Dänemark als etwa zu Schwaben und andersherum viele Bayern eine stärkere kulturelle Bindung zu Österreich als beispielsweise zu Mecklenburg-Vorpommern.

    Die wirklich sehr witzigen Beispiele aus dem Artikel sind doch nur die Spitze des Eisbergs. Ich denke, uns allen fallen spontan noch zahlreiche weitere Fehlgriffe ein, wie etwa der Mitsubishi Pajero (spanisch für Wichser) oder der Toyota MR2, der französisch ausgesprochen ebenfalls verdächtig nach „merde“ klingt. Eine wahre Goldgrube ist auch IKEA mit seinen Betten „Gutvik“ und „Rekdal“, dem Computertisch „Jerker“ oder der Vase „Kagge“. Diese Beispiele und viele weitere werden in jeder Einführungsvorlesung des Intercultural Management gerne aufgegriffen und sorgen regelmäßig für Belustigung. Die Liste ließe sich vermutlich endlos fortsetzen.

    Dabei müssen derartige Patzer heutzutage wirklich nicht mehr sein. In der Regel reicht eine kurze Google-Recherche aus, um über alle Doppeldeutigkeiten von Produktbezeichnungen in anderen Sprachen rechtzeitig in Kenntnis gesetzt zu werden. In allen Start-Ups, die ich kenne, geschieht das auch. Dass es auch besser geht zeigt ein weiteres Beispiel aus der Automobilbranche. So nannte Rolls Royce bereits 1965 sein Modell „Silver Mist“ noch rechtzeitig vor der Markteinführung in „Silver Shadow“ um. Möglicherweise handelt es sich dabei aber auch nur um einen glücklichen Zufall… Schwieriger wird es dagegen, wenn bereits der Markenname betroffen ist, wie etwa bei Skoda, was auf Polnisch „Schade“ heißt oder Osram, was ebenfalls auf Polnisch soviel heißen soll wie „Ich scheiß drauf“.

    Doch leider ist die Sprache nur ein Teilaspekt der Kultur, und zwar der, der sicherlich am einfachsten zu kontrollieren ist. Deutlich komplizierter wird es schon, wenn wir uns in die Bildsphere begeben. So können Gesten, Symbole und Farben möglicherweise für Rezipienten aus einem Kulturkreis die gewünschten Verkaufsargumente perfekt auf die emotionale Ebene transportieren, während sie in einem anderen Kulturraum Irritationen, Spott oder gar Kränkungen auslösen.

    Dennoch bin ich optimistisch, da ich aus eigener Erfahrung weiß, dass an den Universitäten interkulturelle Kommunikation einen immer prominenteren Platz in der Ausbildung einnimmt und auf diesem Gebiet hervorragende Forschung stattfindet. Für die Praxis reicht es manchmal schon, sich die Bedeutung kultureller Unterschiede erst einmal bewusst zu machen, bevor man seine Kampagnen umsetzt. Die Kulturdimensionen von Hofstede können dabei eine wertvolle theoretische Grundlage bilden, doch es gibt noch unendlich viele weitere spannende Studien, die teilweise darauf aufbauen.

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    • Sabine K

      @Timo: exakt, einige dieser Fehlgriffe in der Namensfindung wirken sich sicherlich negativ auf die Kaufentscheidung aus. IKEA würde ich jedoch als Sonderfall bezeichnen. Die Art und Weise, wie das Möbelhaus mit seinen Kunden kommuniziert, ist allein schon durch die Anrede des Kundens mit “Du” aufgelockert. Die sympatische Art wird durch die Produktnamen mit Doppelbedeutung unterstützt und wir finden sie teilweise drollig und unterhaltsam. Wieso sollte man dies also nicht gezielt fürs Marketing verwenden? Die skurrilen Namen der IKEA-Produkte bringen das Unternehmen ins Gespräch. Tatsächlich nutzte IKEA dieses Image aus, und gestaltete eine Kampagne, in welcher sie ihre Produkte nach Beziehungsproblemen benannt haben. Eine Knoblauchpresse hieß daher “How to say i’m not interested”. Darüber spricht man gerne. Es hängt also davon ab, welches Image das Unternehmen beim Kunden kreieren möchte.

      Sich mit seiner Zielgruppe und eventuellen No-Go’s auseinanderzusetzen ist alledigs in jedem Fall ein Muss! Man muss hier das richtige Maß an Stereotypisierung finden, damit sich die Zielgruppe nicht in Schubladen gesteckt fühlt. Mit Marketing bewusst “Deutsche” oder “nur Frauen” ansprechen zu wollen, ist nicht nur polarisierend, sondern auch generell ein sensibles Thema.

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  4. Susanne Leisten

    @Katharina @Timo: Interkulturell ist in der Tat ein interessantes Stichwort. Wie die im Artikel und euren Kommentaren aufgeführten Negativbeispiel von Namensgebung in Verbindung mit Sprache und Kultur zeigen, ist für Firmen, die auf dem internationalen Parkett eine gewisse Sensibilität gefragt, was ihre Marke und ihre Produktnamen angeht.

    Die Zielgruppe ist, wie im Artikel beschrieben dabei entscheidend und hier ist der Ausdruck kommunikatives Minenfeld durchaus nicht von der Hand zuweisen. Je größer die Firma, oder besser deren Reichweite, desto heterogener wird die Zielgruppe und desto schwieriger den kommunikativen Minen auszuweichen. Was für mich eintscheident ist, ist das die Benennung eines neuen Produkts Teil der Inszenierung einer Marke ist. Dementsprechend ist der Name und auch die Kommunikation immer mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, denn man kann den Firmen auch schnell Provkation und Absicht unterstellen. Ein schönes Beispiel dafür ist der kürzlich erfolgte Launch von Kim Kardashians Unterwäsche Marke, die in großen Teilen Japans für viel Wirbel gesorgt hat, da sie einem traditionellen japanischen Kleidungsstück ähnelnd benannt war. Nach zwei Monaten schließlich wurde die Marke dann umbenannt. Hier kann man der Unternehmerin einerseits unterstellen, bewusst für Wirben gesorgt zu haben und dementsprechend Aufmerksamkeit auf die Marke zu lenken, andererseits aber widerum muss man ihr zu Gute halten, dass schließlich auf die Kritik eingegangen wurde.

    Der Artikel macht auf anschauliche Weise deutlich, wie schwierig es für Marken und Firmen sein kann, auf dem globalen Parkett Schritt zu halten, ohne jemandem auf die Füße zu treten. Schlussendlich bleibt für mich dabei das Fazit, dass je größer die Zielgruppe, desto sensibler die Kommunikation sein sollte. Allerdings, wie man so schön sagt: man wird es nie allen Recht machen können

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