Selten war die Schnittstelle zwischen Handel & Payment so interaktiv und beweglich – Zeit, Trends absehbar zu machen und als Thought Leader zu agieren, besonders als Zahlungsverkehrsdienstleister. Onlinehändler und Plattformbetreiber Otto macht es vor und verkündet vergangene Woche, dass er nun einen eigenen Zahlungsverkehrsdienstleister aufbauen will (SZ berichtet). Liegt hier tatsächlich ein Trend im Bereich Payment und Handel oder wäre eine andere Strategie vielleicht besser – eine Analyse.
Otto hat sich seit seiner Gründung als Versandhändler den Trends im Handel immer wieder angepasst und sich neu aufgestellt. Vom Versandhändler wurde das Unternehmen so zum Onlinehändler, der – ähnlich wie Amazon oder Ebay – eine eigene Plattform für Händler aufgebaut hat und so dem Trend zur Plattformökonomie gefolgt ist. Diese Plattform wird jetzt zur Basis für Ottos neuestes Geschäftsmodell als Zahlungsverkehrsdienstleister.
Um welche Prozesse handelt es sich dabei?
Der Bedarf an Zahlungsverkehrsdienstleistern ist und bleibt hoch – und die Corona-Krise hat dem ganzen noch einmal einen Schub gegeben. In die Prozesse bei Kartenzahlungen sind neben Kunden und Händlern weitere zwei Parteien involviert:
- Der Issuer, der dem Kunden eine Kreditkarte oder Debitkarte ausstellt, um Zahlungen durchzuführen – also die Bank des Kunden
- Der Acquirer – der Bankpartner des Händlers. Dieser stellt die vertragliche und technische Verbindung zum Kartenakzeptanznetz her und dem Händler das Kartenterminal zur Verfügung. Er führt außerdem das Händlerkonto, das ihm ermöglicht, Kartenzahlungen zu akzeptieren.
Der Acquirer ist nicht zu verwechseln mit der eigentlichen Händlerbank.
Alle dieser Parteien erhalten pro Transaktion einen prozentualen Anteil am Transaktionswert als Gebühr – so finanzieren sie sich. In manchen Prozessen werden Issuer und Acquirer in einer Partei zusammengefasst, die übrigen Prozesse bleiben aber die gleichen.
Otto kann seinen Kunden als Zahlungsverkehrsdienstleister also Ratenzahlung anbieten, Risiken kalkulieren, Garantie und Rückversand übernehmen und alle Daten seiner Nutzer – natürlich datenschutzgerecht – analysieren, verwerten und ein eigenes Servicegeschäft daraus machen.
Macht ein solcher Schritt langfristig Sinn?
Das kommt darauf an.
Im Zahlungsverkehr sinken zunehmend die Umsätze pro Transaktion für Zahlungsverkehrsdienstleister. Regulierungsbehörden machen Druck und die allgemeine Bereitschaft sinkt, für Zahlungsvorgänge zu zahlen. Dazu kommt, dass die großen, global aktiven Händler auf eine Senkung der Transaktionskosten drängen, um kleinere Anbieter aus dem Markt zu bieten.
Eine Konsolidierung ist also durchaus sinnvoll. Für große E-Commerce Unternehmen wie Otto mit eigener Händlerplattform ist es logisch, den Schritt des Aufbaus eines eigenen Zahlungsverkehrsdienstleisters zu gehen.
Mit der Weiterentwicklung der Händlerplattform, des Produktportfolios und ergänzender Dienstleistungen sowie der Erschließung neuer Märkte schlägt Otto dann künftig zwei Fliegen mit einer Klappe: Das Unternehmen erhöht die Einnahmen durch Händlergebühren und die entsprechend anfallenden Transaktionsgebühren.
Am Ende können wir Zahlungsexperte Ernst Stahl also nur zustimmen, wenn er in der SZ vom 08. September feststellt, dass Otto mit diesem Schritt einen wichtigen Trend richtig erkannt habe. Hier liegt ein lukratives Geschäftsmodell. Wer sich aber nachhaltig aufstellen möchte, ist gut beraten, sich von Anfang an strategisch zu positionieren.
Was werden wir in Zukunft noch im Bereich Payment und Handel sehen? Wer sind die Kandidaten als neue Zahlungsverkehrsdienstleister nach dem Beispiel von Otto? Welche (internationalen) Fusionen wird es geben, um den globalen Playern Parole bieten zu können?
Eine eigene Payment-Methode zu entwickeln ist meiner Meinung nach nicht nur aufwendig und verschlingt Ressourcen, sondern überfordert den Verbraucher in Hinblick auf die Vielzahl an Zahlungsmethoden, die bereits bestehen. Möchte der Verbraucher neben seiner Klarna-App, dem Paypal-Konto und dem Online-Banking weitere Ein- und Ausgänge überprüfen müssen? Aus UX-Sicht macht es den Zahlungsvorgang unübersichtlich. Versandhändler sollten sich lieber auf gängige Zahlungsarten konzentrieren und genau diese anbieten. Schließlich hat auch der Händler einen Mehrwert, wenn er dem Kunden seinen Einkauf so angenehm, einfach und sicher wie nur möglich gestaltet. Kann ein Händler diese Kriterien erfüllen, wenn seine eigentliche Kompetenz in einem anderen Gebiet liegt?
Nicht außer acht lassen sollten Händler allerdings die Kryptowährungen: Wie werden diese zukünftig in den Handel integriert werden?
Ich sehe das aus Sicht der Kunden auch so wie Nadine. Im Grunde spielt für den Kunden beim Einkauf auch immer Vertrauen eine Rolle und entscheidet zum Teil mitunter darüber, ob er beim einen Anbieter einkauft oder beim anderen. Ein und dasselbe Produkt kann bei beliebigen Händlern oft zum selben Preis erworben werden. Wenn also der eine Händler plötzlich nur noch seine ganz eigene Zahlungsmethode anbietet bzw. die eine Zahlungsmethode, die der Kunde immer genutzt hat und die für ihn persönlich als einzige möglich war, verschwindet, dann sinkt natürlich seine Kaufbereitschaft und er wechselt lieber zu einem anderen Anbieter. Die neue Zahlungsmethode kann da noch so unkompliziert sein – die Motivation, sich darauf einzulassen, wird beim Kunden eher gering ausfallen.
Sicherlich sind für solche Art von Veränderungen aber auch bereits Zahlen bekannt und es lässt sich abschätzen, welche Rolle eine mögliche Ablehnung von Kundenseite erwartungsgemäß spielen wird. Ich nehme mal an, dass sich so ein Wechsel dennoch auf lange Sicht rechnen würde. Vielleicht braucht es eine Art Eingewöhnungsphase und nach einer Zeit ist die neue Zahlungsmethode dann auch schon vollkommen normal geworden.
Die Lizenzierung einer eigenen Zahlungsplattform ist rein juristisch betrachtet eine Mammutaufgabe. Dieser Schritt verlangt eine genaue Abwägung der Vor- und Nachteile unter Berücksichtigung der Vielzahl einzuhaltender Vorschriften, u.a. zum Schutz des Verbrauchers, zur Datenspeicherung, die Erfordernisse der BaFin u.v.m. Eine eigene Plattform zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Nebengeschäft zur Verfügung zu stellen mag zwar aus der Sicht des Anbietenden bei entsprechend hohen Umsätzen attraktiv erscheinen, da in diesem Fall die Kontrolle über den Zahlungsprozess allein bei ihm liegt, weniger jedoch aus der Sicht des Verbrauchers. Wer kennt es nicht – gerade einmal ist eine Online-Bestellung bis zum vorletzten Schritt durchgeklickt worden und dann wird die gewünschte Zahlungsmethode nicht angezeigt, ist ausgeblendet oder es wird eine unbekannte und dementsprechend bisher unbenutzte Zahlungsmethode angeboten. Prompt wird die Bestellung abgebrochen. Mit den gängigen Zahlungsmöglichkeiten sind die Kunden bereits bestens bedient, getreu nach dem Motto: „Auswahl ist gut, zu viel Auswahl – eine Qual“.
Ob es weitere Kandidaten nach dem Beispiel von Otto geben wird? Ganz bestimmt. Aber werden sie PayPal und Co. Konkurrenz machen können? Aus meiner Sicht die Wenigsten.